Jup, es war wieder soweit, mein Pile of Shame hat einen mehrjährigen Vertreter verloren und ich eine sensationelle Erfahrung gewonnen. Mit RiME habe ich nun einen weiteren Indy-Titel, den ich unbedingt spielen wollte, nachgeholt. Und das hat sich gelohnt, aber wie! Wie man RiME beschreibt ohne zu spoilern oder zu viel von der Magie wegzunehmen? Keine Ahnung! Aber ich muss euch davon erzählen!
RiME kommt aus dem Indy-Publisher-Haus Greybox und stammt von dem spanischen Entwicklerstudio Tequila Works. Eins vorab: RiMe bekommt ihr für jede Platform, ob PS4, Xbox One, Windows oder Switch. Daher gibt es eigentlich keine valide Ausrede dieses Spiel nicht spielen zu können. Natürlich sind Indy-Titel meist Geschmackssache, aber die üblichen Kritikpunkte an Indy-Spielen, wehrt RiME mit Leichtigkeit ab. Es hat einen tollen Look, genügend Spielzeit, ist einfach zugänglich und besitzt emotionale Tiefe. Gut, Multiplayer hat es jetzt keine, sollte es aber auch nicht. Wer also ein ungefiltertes Spielerlebnis haben möchte, hört jetzt auf zu lesen und holt sich diese Perle. Für alle anderen gibt es noch zusätzliche Infos und meine ganz persönlichen Eindrücke.
Zur Geschichte von RiME
Okay, ich gebe zu, die Geschichte startet wenig innovativ. Unser Protagonist findet sich an einem Strand. Genauso wie Conan, genauso wie Link und viele anderen Videospielcharaktere vor ihm. Wir wissen nicht warum es uns an diesen Ort gespielt hat. Dies herauszufinden ist aber auch die Kernaufgabe des Spiels. Die Spielewelt ist dabei in fünf unterschiedliche Abschnitte unterteilt. Die fünf Abschnitte sind die Videospiel-Interpretation der fünf Phasen des Trauerns und Sterbens nach Elisabeth Kübler-Ross. Raffen tut man das während der ersten Phase natürlich nicht. Hier liegt der Fokus allein erstmal darauf sich zu orientieren und um ein Bewusstsein zu sich selbst zu finden. Als der erste Abschnitt des Spiel geschafft war, poppte die Trophäe mit dem Namen „Leugnen“ auf. Hier wurde mir dann klar, dass erstmal nicht alles so sein könnte, wie es scheint.
Der Weg des Jungen ist vordefiniert. In der Mitte der Insel befindet sich ein riesiger Turm. Gemäß meiner Erfahrung in Videospielen, weiß ich als Game: Da muss ich wohl hin!. Bei der Erklimmung des Turmes durchlebe ich zunächst den zweiten Abschnitt. Wie mir in der anschließenden Trophäe verraten wird, heißt dieser Abschnitt „Wut“. Dann ist auch mir klar, was diese Abschnitte symbolisieren sollen und zwar die fünf Phasen des Trauerns. Man kann sich darüber streiten, ob es sinnvoll ist, mit Hilfe der Achievements den Kern des Spiels zu verraten. Aber ich sag mal so, die kleine Denkstütze hat bei die Inversion des Spiels deutlich erhöht. Früher, als wenn ich erst gegen Ende begriffen hätte worum es geht. Zudem erfahren wir in den Sequenzen zwischen den Abschnitten, was dem Jungen passiert ist. Hierfür bekommen wir kleine Sequenzen, die uns erzählen, dass der Junge zusammen mit einem Mann auf einem Boot unterwegs war. Als beide in einen Sturm gerieten wurden beide voneinander getrennt.
SPOILER – Verarbeitung von Verlust
In der weiteren Handlung durchspielen wir auch die anderen Phasen, Verhandeln, Depression und Akzeptanz. In den letzten beiden Kapiteln düngt es einem dann langsam. Es ging um die Beziehung zwischen einem Vater und seinem Sohn und um das tragische Ereignis, was die beiden voneinander getrennt hat. Aber hinzukommt kommt ebenfalls die Erkenntnis, dass nicht wir mit dem Protagonisten um den Vater trauern. Im vorletzten Abschnitt, Depression, welche sehr düster dargestellt, raff ich es endlich. Den Jungen den ich die ganze Zeit spiele, gibt es nicht mehr. Die ganze Wanderschaft bis hierher, war der lange Gang durch den Tunnel an dessem Ende ein helles Licht scheint. Ich muss es an der Stelle auch einfach mal loswerden, dieser Moment hat mich richtig hart getroffen. Natürlich vor allem, weil ich selbst ein Vater bin. Machen wir uns nichts vor, dieser Umstand steigert die Reaktionsintensität enorm. Aber es hat halt zu 100% gewirkt und funktioniert.
Am Ende unserer Reise über die Insel und dem geheimnisvollen Turm, finden wir uns auf dem Rand der Spitze wieder. Wir schauen hinein in den Schlund des Turmes und sehen dort einen Sternenhimmel. Um uns herum springen Schatten in diesen Abgrund. Sofort ist klar was das bedeutet: Springe ich jetzt, akzeptiere ich mein Schicksal (fünfte Phase Akzeptanz). Dabei habe ich mich erwischt, wie ich selbst den kleinen Jungen nicht springen lassen wollte. Es war so hart, aber auch erlösend. Aber so unglaublich hart. Nach dem Sprung finden wir uns im Kinderzimmer des jungen wieder. Alles ist grau. Wir verlassen das Zimmer und gehen durch den Flur in die Küche. Am Küchentisch ist ein Mann in trauender Pose. Auf einmal wird die Sequenz farbig und wir erleben die Szene durch die Augen des Vaters. Allerdings den Jungen sehen wir nicht. Als Vater kehren wir zurück ins Kinderzimmer und dürfen dort die spirituelle Verabschiedung des Vaters von seinem Sohn beiwohnen.
SPOILER ENDE
Spielmechanik
Einige kritisieren das Gameplay von RiME mit der eigentlich nachvollziehbaren Behauptung, dass das Spiel viel zu einfach ist. Und das stimmt tatsächlich. Die Spielmechanik ist übersichtlich und die Rätsel, die den Kern des Gameplays ausmachen, sind einfach zu lösen. Wer einfach gerne nur Knobelspiele spielt, wird mit RiME keinen großen Spaß haben. Aber der Anspruch von RiME liegt auch nicht in schweren Rätseln sondern in der Vermittlung der Reise, die wir durchleben. Ich behaupte auch, dass schwere Rätsel den Fluss des Spiel zu sehr gestört hätten und den Fokus auf die Entwicklung der Story deutlich beeinträchtigt hätte. Also: gut so. Letztlich ist RiME mehr ein Exploration-Game als ein Puzzlespiel. Dabei allerdings nicht ganz so passiv, wie die Vertreter des reines Explorationgames, wie Firewatch oder Everybody gones to the Rapture. RiME hat einen sensibleren Mix mit einer guten Balance.
Stärken des Spiels
Wie bereits in der Einleitung schon angerissen, liegt der Reiz des Spiels auf vielerlei Ebenen. Der cell-shading Look des Spiels hilft mit wenig Aufwand einen spektakuläre Spielwelt dazustellen. Die Technik ist dabei super eingesetzt. Der Tag und Nachtwechsel des Spiel sollte ursprünglich mal Kerninhalt des Gameplay’s sein. Jetzt sieht er hin und wieder gut aus und ist Bestandteil einzelner, sehr einfacher Rätsel. Aber er sieht halt fantastisch aus.
Neben der visuellen Stärke des Spiels ist ein Highlight natürlich seine Geschichte und wie diese zum Ende aufgelöst wird. Hierzu bin ich aber ja schon umfänglich eingegangen. Erwähnen sollte ich aber, dass das komplette Spiel ohne Dialoge auskommt und trotzdem diese emotionale Tiefe erwirkt.
Parallel zum visuellen Bombast der Umgebung, werden wir begleitet durch einen sensationellen Soundtrack der die Stimmung des Spiel und vor allem die des Spielers, perfekt einfängt. Wir einen Eindruck erlangen will, kann sich den Soundtrack gern mal auf Spotify anhören. Ein ganz besonderes Werk.
In der Kürze liegt die Würze. Das Spiel schafft es, genau die richtige Spiellänge zu finden. Ich hatte das Gefühl viel Content zu bekommen, aber nie das Gefühl, dass eine große Übersättigung mit der Zeit einhergeht.
Fazit:
RiME ist ein Indy-Spiel und damit eben nichts vor Jeden. Das ist mir klar. Aber Zugangsbedenken zu dem Spiel sollte man nicht haben, wenn man auf gute Geschichten steht, wenn man mal wieder ein besonderes Erlebnis möchte, wie man es beispielsweise mal mit Journey hatte. Wer zudem den heutigen Indymarkt ignoriert, riskiert einen großen und besonderen Teil der Videospielgeschichte gänzlich zu vernachlässigen. Das ist mit RiME ganz genauso.