The Crew 2 ist der beste Arcade-Racer der letzten Jahre! Steile These? Offensichtlich, denn die Kritiken zu diesem Spiel fallen im Regelfall von „durchschnittlich“ bis selten mal „gut“ aus. Ich finde, dass diese Einstufungen weit weg von dem sind, was uns als Spielern geboten wird. Zwar ist The Crew 2 alles andere als frei von Kritikpunkten, ist aber dennoch ein rundum gelungenes Spiel.
Klar, machen wir uns nichts vor, ich bin ein Ubisoft-Fanboy und das schon seit Jahren, dies wiederum bedeutet nicht, dass ich mit rosaroter Brille die Spiele ausnahmslos für gut befinde und ständig Over-the Top-Wertungen verteile. Ich weiß durchaus noch einzuschätzen, wann ein Spiel spielenswert ist und wann es sich um eine Fehlinvestition handelt. The Crew 2 ist eines von den Titeln, die ich allerdings vor der durchschnittlichen Marktbewertung in Schutz nehmen muss. Denn bei fast allen Kritiken geht die wesentliche Essenz des Spiels unter. Und ich verstehe auch warum, natürlich ist die Mängelliste bei diesem Spiel durchschnittlich lang und kaum wegzureden. The Crew 2 ist es allerdings wert, dass man sich etwas mehr auf dessen Vorzüge konzentriert und diese in den Mittelpunkt der Wahrnehmung rückt, denn dann erhält man einen wahnsinnig guten Racer.
Zu den Kritikpunkten
Reden wir zunächst über die Kritikpunkte des Spiels, auch um zu zeigen, dass ich diese auch wahrnehme. Das Spiel hat an vielen stellen Schwächen, die teilweise auch sehr offensichtlich sind. Hierzu gehören:
- die fürchterliche Darstellung von Städten. Sobald man eine der Großstädten des Spiels erreicht, hat man das Gefühl wieder auf einer alten Konsolengeneration zu spielen. Die Texturen der Häuser sind nur um das Nötigste ausgebaut, also mal ein paar Fenster und Türen, damit man das Objekt auch ja als Haus wahrnimmt
- die Darstellung von Menschen, denn diese verhält sich simultan zu der der Häuser. Klar liegt der Fokus eines Rennspieles nicht auf der Darstellung von menschlichen Charakteren, aber ein mehr als die rudimentäre Darstellung der Leute wäre schon drin gewesen
- Story und Dialoge genießt man besten im Mute-Modus. Das Gelatscher im Storymodus kann einen Mitt-30er, wie mir, deutlich zusetzen. Gefühlt beinhaltet, vor allem zu Beginn der Storry, jeder Dialog mindestens sechsmal das Wort „Follower“. Ich hab’s geschnallt, Reichweite ist das neue XP, aber irgendwann muss auch mal gut sein
- fehlender Schwierigkeitsgrad. Sobald im Karriere-Modus alle Rennen auf dem Schwierigkeitsgrad „Normal“ absolviert sind, bin ich aufgrund der schlechten Fahrzeugwerte noch nicht in der Lage auf dem nächst-höheren Level weiterzuspielen. Bis ich soweit bin benötige ich einiges an Grinding um auch diese Rennen zu bewerkstelligen. Ein Schwierigkeitsgrad genau dazwischen wäre eine super Motivationsstütze gewesen
- Launch ohne kompetativen Multiplayermodus. Liebe Entwickler, DAS! war ein sehr gewagter Schritt. Ihr wollt diesen zwar Ende 2018 nachpatchen, die Anzahl der bis dahin verlorenen Spieler könnte aber enorm sein.
- Gummiband-KI ist zu stark und dadurch auch zu einfach zu berechnen
- die Rückspiegel ohne Inhalte etc.
Aber The Crew 2 ist soviel mehr als eben nur diese Mängelliste. Abgesehen von den Städten ist die Karte wirklich gelungen und lädt auch außerhalb der Rennevents zu einigen Magic Moments ein. Generell gilt in diesem Spiel, dass die meisten im Gedächtnis bleibenden Highlights außerhalb der eigentlichen Rennevents geschehen.
Mein bisher schönsten Erlebnis:
Der Multiplayer ist zwar nicht kompetitiv aber kooperativ. Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich zumindest meine Party um einen bis vier Freunde erweitern, die mir bei der Erfüllung meiner Ziele auch helfen können.
So bin ich mit einem eine der zahlreichen Fotoaufgaben angegangen und haben dabei auf die Schnellreisefunktion verzichtet. Der Weg zu unserem Ziel führte über 75km quer über die Map, vor allem durch den Yellowstone Nationalpark. Dort sind wir auf Motor Cross Machinen umgestiegen und haben dabei erfahren, was es bedeutet The Crew 2 wirklich zu erleben. Wir fuhren in Formation die unbefestigten Wege des Nationalparks entlang, nur begleitet durch einen chilligen Soundtrack und den Fahrgeräuschen der Maschine. Neben den Motorgeräuschen hörte man den Schotter an Blech schreddern und genoß die Aussicht auf den Bergzügen des Yellowstones. Kein Zeitstress, selten im Vollgas, stellte sich ein Gefühl von… Freiheit ein. In der, auf den Motorrädern, stets gewählten Cockpit-Perspektive kam man dem Gefühl eine echten Motorrad-Tour erschreckend nah.
Es spielte keine Rolle, dass wir dabei keine Erfahrungspunkte oder In-Game-Währung grindeten, sondern es ging lediglich um diesen einen Moment im hier und jetzt. Und dieses Gefühl hatte ich nie in einem Open-World-Rennspiel, nicht einmal in GTA. Es waren nur mein Freund, die Maschine, die Natur und ich. Und von solchen Situationen lese ich in den ganzen Reviews und Tests leider nichts. The Crew 2 kann stressig sein in den Rennen aber es kann auch wunderbar entschleunigen und ein Lebensgefühl transportieren, aber nur wenn man sich darauf einlässt. Und das liegt nicht in der Verantwortung der Spieldesigner, sondern in der der Spieler selbst. The Crew 2 bietet diese Möglichkeiten, aber gesehen wird diese leider nur zu selten.
So ist das Spiel tatsächlich vollgestopft mit sensationellen Momenten, eben nur sehr oft außerhalb der abzuarbeitenden Events. Und um solche Gefühle zu transportieren müssen sehr viele Zahnrädern gekonnt ineinander greifen:
- das Fahrgefühl der Fahrzeuge, vor allem in der Cockpitansicht
- der Sound der entsteht auf den unterschiedlichen Fahrzeugen, auf den unterschiedlichen Bodenbelägen
- der Soundtrack, der dich je nach Stimmung auf unterschiedliche Radiosender verweist
- die Größe der Karte und deren Ausgestaltung, denn gerade die ländlichen Gebiete oder Nationalparks sind sehr gelungen
- die Möglichkeit seine Erfahrung zu live mit jemanden zu teilen
…und genau das schafft The Crew 2 auf den Punkt. Dabei ist dies allerdings nicht das Einzige, worin die Stärken des Spiels bestehen. The Crew 2 bietet eine Vielzahl an Fahrzeugklassen, darunter auch Speedboote, Flugzeuge, Monstertrucks, Drift, Formel 1… und soooo vieles mehr. Nahezu alle Disziplinen machen Spass und bieten eigene Erfahrungen hinsichtlich Anforderung und Handling.
Weitere Stärken von The Crew 2
- Unmengen an Fahrzeugen
- hohe Motivation durch End-Game Progressionssystem
- Unmengen an Individualisierungsmöglichkeiten für Fahrzeuge
- einfaches Levelsystem für Fahrzeuge
- viele Möglichkeiten sich mit der Community zu messen, auch ohne im direkten PvP-Rennen
- tolle Wettereffekte
- einer der besten Foto-Modi
- hohe Weitsicht, auch auf den Nicht-Pro-Versionen der Konsolen
- viel Spielzeit
The Crew 2 wird hoffentlich ein Langzeitprojekt, wie es auch bereits die Ubisoft-Perle Rainbow Six: Siege ist. Ubisoft zeigte bereits bei einigen Titeln aus der nahen Vergangenheit, dass diese ihr Potenzial noch mehr entfalten, je besser diese supportet werden durch den Entwickler. Auch Ubisoft’s The Crew 2 bietet dazu viele Ansätze, wie beispielsweise die große Karte, auf der noch so viele zahlreiche Event implementiert werden können. Oder die Funktion aus dem Spiel heraus einer Freundessitzung beizutreten ohne dies über das XMB-Menü der Konsole machen zu müssen. Neue PvP-Spielmodi, wie beispielweise eine Schatzjagd à la Rat Race oder einen Räuber und Gendarme Modus. Die Liste der Möglichkeiten ist lang und in jedem Fall einen extra Beitrag wert, aber das wichtigste ist gesagt.
Fazit zu The Crew 2:
Selten hat ein Spiel ein Lebensgefühl so schön vermittelt, wie The Crew 2. Die Freiheit die der Spieler spüren soll, spürt dieser, wenn er selbst in der Lage ist auch abseits der festen Pfade zu trampeln. Und wer diese großzügige Einladung von Ivory Tower nicht sieht und wahrnimmt, kann das Spiel nicht so bewerten, wie es eigentlich auch gedacht ist. Das Spiel ist mehr wert, als die bisher vergebenen Mitt-70er Bewertungen. Das Spiel rangiert sich trotz seiner zahlreichen Mängel und dem fehlenden PvP Multiplayer in einer soliden Mitt-80er Wertung ein.