Das Einspielergebnis von Whiplash ist vor allem im Vergleich zu den Blockbuster Titeln natürlich deutlich geringer. Aber wieso oft, wird der Ware wert eines Films meist erst nach der Kino-Runtime wirklich wertgeschätzt. Und da ich finde, dass dies bei diesem Film genauso sein sollte und warum man diesen Film in jeder Sammlung haben sollte, erfahrt ihr in dieser kleinen Filmkritik.
Die üblichen Musikfilme die auf den Filmmarkt prasseln, sind meist leicht verdauliche Kost, die lediglich zum Zweck der leichten Unterhaltung geschaffen wurden. Das ist aber nicht als Kritik zu verstehen, die Aufgabe der Unterhaltung ist für die meisten Genre essentiell. Oft geht aus solchen Filmen hin und wieder auch mal ein Kultklassiker hervor, wie beispielsweise Grease, oder Dirty Dancing hervor. Auch sind solche Filme meist verantwortlich für den Erfolg der Filmmusik bzw. der Soundtracks. So bekam der Song Tiny Dancer von Elton John einen ungeahnten nachträglichen Schub an Popularität durch seine Einbindung in eine Schlüsselszene von Almost Famous. Kurz um: Musikfilme sind ein wichtiger Bestandteil unserer Popkultur.
Was kann ein Musikfilm mehr?
Aber kann ein Musikfilm ohne einen eingängigen Soundtrack, dann ebenfalls zu einen Klassiker werden? Nun, ich unterstelle mal, dass dies eher schwer sein wird. Betrachtet man beispielsweise Tim Burton’s Umsetzung von Sweeney Todd oder Verfilmung von Les Miserable mit Hugh Jackman, so kann man sich zwar durchaus unterhalten fühlen, aber nichts zwangsläufig aufgrund der Musik. Kommt dann noch hinzu, dass man um die Gelegenheit gebracht wird mitsingen zu können, da keine Vocals vorhanden sind, scheint ein zu erreichender Kultfaktor nahezu unmöglich. Aber nur beinahe!
Mit Whiplash (zu deutsch „Schleudertrauma“) ist dem Regisseur Damien Chazelle ein kleines Meisterwerk der Musikfilm-Geschichte gelungen. Ja, dem Damien Chazelle, der nur zwei Jahre später den Oscar-Abräumer La La Land geschaffen hat. Der, wenig überraschend, ebenfalls ein Musikfilm ist. Nur, dass er mit Whiplash auf Gesang und Tanz komplett verzichtet. Whiplash konzentriert sich, neben seiner Story, auf die Instrumente und wie diese gespielt werden. Dies geschieht in einer Intensität, dass es bei dem Zuschauer eine große Faszination auslöst. Dies scheint auf dem Papier völlig abstrus, da es doch eher technisch-pädagogisch erscheint, aber es funktioniert und das nicht nur aufgrund des hervorragenden Drehbuches sondern und vor allem aufgrund der schauspielerischen Leistungen des Casts, allen voran J.K. Simmons. Halleluja, was für eine enormes schauspielerisches Können wird uns hier offenbart!
Zur Geschichte von Whiplash
Damien Chazelle erzählt uns die Geschichte des Musikschülers und Schlagzeugers Andrew Neiman, gespielt von Miles Teller. Andrew ist an einer der renommiertesten Musikschulen der Welt und spielt in einem Jazzorchester der Schule das Schlagzeug. Auf dieser Schule gibt es allerdings eine Art Elite Klasse, in der die meisten Schüler gerne spielen würden, weil der Leiter der Klasse Terence Fletcher (gespielt von J.K Simmons) die Schüler auf ein völlig neues Niveau anheben kann. Bekannt ist aber auch, dass der entsprechende Leistungsdruck, welcher von Simmons praktisch personifiziert wird, sich auch stark negativ auswirken kann, denn Fletcher lässt seine Musiker für seine Qualitätsansprüche sprichwörtlich bluten. Dennoch ist es das Ziel dieser Musiker für diese Elite ausgesucht zu werden.
Andrew hat das Glück sich in dieser Klasse zu beweisen. Dies ist letztlich auch der Kern der Handlung. Wir schauen dem Protagonisten dabei zu, wie er von einem hervorragenden Musikschüler zu einem manisch-besessenen Schlagzeuger mutiert, besessen die Anforderungen seines Lehrers gerecht zu werden. Dabei vermittelt der Film sehr hart, wie sich dieser Leistungsdruck auf das gesamte Leben des Musikers auswirkt, auf die Beziehung zu seiner Freundin, auf die Beziehung zu seinem Elternhaus und sogar auf seinen eigenen Körper. Der Film zeigt zuerst schonungslos, wie die Folgen von unverhältnismäßigem Leistungsdruck aussehen können. Ab einem gewissen Punkt hat man das Gefühl, dass bei Andrew keine Progression stattfindet, bzw. diese so gering ist, dass diese nur seinem Lehrer auffällt. Unweigerlich stellt man sich die Frage, ob es das Wert gewesen ist.
Der Leistungsdruck führt dann zwangsläufig zu einem Eskalationspunkt, der dann die Beziehungen zwischen Andrew und seinem Umfeld neu definiert. Der Protagonist muss sich selbst reinigen. Dieser Selbstreinigungsprozess wird sehr explizit dargestellt und nimmt den Zuschauer mit. Nach dieser Katharsis werden die Figuren neu gerückt und alte Hierarchien über den Haufen geworfen. Was das für den Handlung genau bedeutet wäre ein massiver Spoiler. Also verzichte ich wie immer auf genauere Erklärungen.
Der Umgang mit dem Thema Leistungsdruck
Der Umgang mit dem Thema Leistungsdruck ist sicherlich schwer. Wann kann man jemanden zuviel zumuten? Wann erreicht man durch Druck das nächste Level? Diese Fragen scheint der Film zunächst beantworten zu wollen oder sich zumindest diesem Thema zu widmen. Ein sensibles Thema, gerade in unserer heutigen Leistungsgesellschaft, in der Burnout und Stress noch nicht richtig als Erkrankung anerkannt sich. Und scheinbar ähnlich unsicher geht der Film auch mit dem Thema um.
Erst möchte er die Konsequenzen des zu hohen Leistungsdrucks thematisieren um dann gegen Ende hin aber den Beweis zu stellen, dass die signifikante Verbesserung des Schlagzeugers nur durch den von Fletcher verursachten Stress und Leistungsdruck möglich war. Ganz sicher kann man sich hier nicht sein, ob dies tatsächlich die Quintessenz des Films sein soll. Auch ich bin mir, mehrere Tage nach Sehen des Film, immer noch uneinig darüber, wie ich mit der Erkenntnis, die der Film diesbezüglich vermittelt, einverstanden sein soll.
Aber letztlich ist dies auch eine Gute Sache. Wie bekannt ist, bin ich ein großer Freund von Filmen, die zum Nachdenken anregen und das tut der Film gleich aus mehreren Blickwinkeln. So wird die Sicht des Musiklehrers genauso hinterfragt, wie die Handlungen und Dialoge die das Umfeld des Schülers bieten.
Das Außergewöhnliche an Whiplash
Whiplash besticht durch vielerlei Faktoren, die konzentrierte Geschichte, die thematisierte Problematik, das außergewöhnlich gute Acting der Hauptfiguren und vor allem natürlich durch den Soundtrack. Auch Menschen, die dem Jazz nicht so zugeneigt sind, werden anerkennen müssen, dass dieses Genre den Film die notwendige Würze gibt. Es gibt viele zahlreiche Musikrichtungen, die ähnlich anspruchsvoll sind aber sich im Gegensatz zum Jazz nicht ganz so ernst nehmen. Genau dieser Umstand sorgt dafür, dass der Jazz das gewählte Musikgenre ist, eben weil es so gut zu dem Charakter Fletcher passt. Nicht umsonst konnte J.K. Simmons mit dieser Performance auch den Oskar gewinnen.
Auch kommt dem Film zu Gute, dass er mit 106 Spielminuten eine knackige Länge hat und der damit übersichtlichen Geschichte auch gerecht wird.