A Ghost Story ist ein Filmexperiment, welches darauf ausgelegt ist, die neuen Sehgewohnheiten der Zuschauer hart auf die Probe zu stellen. Doch wer in der Lage ist, diesem Film eine ernsthafte Chance zu geben, der wird belohnt mit einem der beste Filme des Jahres 2017.
A Ghost Story schildert das Leben eines Paares. Der Filmmacher hat sich hierbei entschieden, dass die Namen des Pärchens überhaupt keine Rolle spielen. Sie werden einfach bezeichnet als „C“ (Casey Afflek) und „M“ (Rooney Mara). Der Film zeigt das sich liebende aber auch etwas zerwurfene Paar. M möchte gerne wieder aus dem Haus, in denen die Beiden leben, wieder ausziehen und zeigt Sehnsucht nach etwas Neuem. C hingegen ist ein sehr introvertierter Typ, der scheinbar an starker Motivationslosigkeit leidet und nicht in der Lage ist von bewährten Umständen abzulassen. Eines Tages gerät C in einen Autounfall und stirbt. M bleibt als Trauernde zurück. Noch auf dem Tisch der Leichenhalle erleben wir dann aber, wie C zum Geist wird und den Weg nach Hause sucht. Dort beobachtet er seine hinterbliebene Partnerin bei ihrer Trauerbewältigung bis der Zuschauer mitbekommt, dass auch der Geist seinen speziellen Bewältigungzyklus durchläuft.
Rolle des Zuschauers von A Ghost Story
Zugegeben klingt dies schon allein nach viel Arthaus-Kino, aber davon sollte man sich von Beginn an nicht abschrecken lassen. Natürlich stellt die Filmemacher den Zuschauer vor eine Geduldsaufgabe, insbesondere bei den mehrminütigen Einzelaufnahmen die lediglich eine trauernde Person zeigen, die einen Kuchen ist. Wer sich allerdings darauf einlässt erkennt gerade in solchen Szenen das Genie hinter diesem Werk. In der benannten Szene schauen wir nicht nur unbemittelt M beim Kuchenessen zu, sondern uns wird die notwendige Zeit geboten eine der stärksten emotionalen Szenen der vergangenen Jahre zu analysieren und uns mitreißen zu lassen. Der Prozess dauert etwas, erstickt uns aber nicht in Eintönigkeit. Uns wird in dieser Szene eine emotionale Abwärtsspirale von M gezeigt, die uns bis zu ihrem Höhepunkt mehr und mehr ergreift.
Generell ist der Film mit unglaublich vielen langen Einstellungen gedreht wurden. Dennoch schaffte man es, dies etwas zu relativieren in dem man den Film lediglich eine Nettospielzeit von 87 min vergab. Somit ist es für den einen oder anderen vielleicht ein kleines Geduldspiel, überstrapaziert allerdings nie die Gesamtlänge des Films. Dies schaft er unter anderem deshalb, weil er bewusst auf zu viele Dialogzeilen verzichtet. Im Film wird kaum geredet, der Löwenanteil wird allein durch die Bilder transportiert. Allerdings in Bildern, die im 4 zu 3 Format aufgenommen wurden. Hierbei ist es besonders wichtig, dass man diesen aber auch nach dem kurzfristigen Ersteindruck eine Chance gibt. Denn das 4:3 Format hilft tatsächlich dem Film und den Zuschauer. Durch den verkleinerten Ausschnitt ist die Zuschauer in der Lage den Fokus mehr zu erhöhen, was insbesondere bei den langen Einzelaufnahmen Sinn macht.
Ein gelungenes Arthaus-Experiment
Ja, technisch ist A Ghost Story schon sehr ausgefallen, leicht krissiliges Bild, 4 zu 3 Formart und gesprochen wird auch kaum. Dennoch schafft es dieses Experiment schauspielerische Leistungen enorm hervorzuheben und fordert durch sein Konzept den Zuschauer, sich mehr in den Film zu integrieren. Dies passiert insbesondere in den Einstellungen gut, in denen wir nur den Geist sehen. David Lowery nutzt zur Darstellung des Geistes lediglich ein großes Betttuch mit zwei schwarzen Löchern für die Augen, ähnlich wie wir es aus den vereinfachten Darstellungen aus Kinderbüchern kennen. Dadurch fehlt jegliche Mimik und der Zuschauer fängt peu à peu an seine Gedanken zur ganzen Situation auf den Geist zu projizieren. Dies unterstreicht nur nochmal, wie stark der Film den Zuschauer mit einbindet und fordert und gute Filme machen genau das! Es geht mittlerweile nicht mehr zum Standard von Filmen, dem Zuschauer eine gewisse Leistung abzuverlangen, umso erfrischender wenn dies mal wieder passiert.
Soundtrack & Score
Ebenfalls hervorzuheben ist der Soundtrack beziehungsweise der Score des Films. Zwar zentriert sich die Handlung vornehmlich auf ein, von C geschriebenes Thema, aber restliche Untermalung der langen Einstellungen ist sensationell geworden. Meist orientiert sich der Komponist auf die Verwendung weniger Instrumente. Dadurch werden die unterschiedlichen Klangfarben der Instrumente genutzt bestimmte Gefühle zu untermalen. Mal ist es nur eine einzelne Gitarre, mal nur ein dumpfes Holzblasinstrument. Das ist zwar alles sehr minimalistisch aber subtil genug, dass es noch auffällt.
Ebenfalls bemerkenswert ist, wie der Filmemacher David Lowery es schafft, nahezu aus dem Stand heraus einen derart guten Arthaus Film zu machen. Bei seinen vorangegangenen Werken handelte es sich um das Reboot von Disney’s Elliot, der Drache und das Antikriegsdrama The Yellow Birds. Und das gerade mal mit 37 Jahren!
Unser Fazit lautet daher: Wer mal wieder erleben will, für was Filme früher gemacht wurden und sich nicht scheut auch mal als Zuschauer sich positiv fordern zu lassen, der erlebt einen sehr guten Film in einer Zeit, in der Binge-Watching zur „Kultur“ wurde. Ein kleinen Tipp wollen wir aber mitgeben. Wer die Möglichkeit hat den Film mit guten Kopfhörern zu hören, sollte dies zwingend machen!